Jetzt, zwei Tage nach dem Boulderwettkampf des Alpinclubs Hannover am
29.02.2004 erlauben die Muskelkatzen es mir allmählich wieder, nahezu
schmerzfrei einen Stift zu halten bzw. zu tippen ;-)
Hier kommt also ein Bericht über den besagten Wettkampf, der im übrigen der
zweite in der Reihe der Norddeutschen Meisterschaften im Klettern war.
Für meine beiden Oldenburger Mitstreiter Andreas und Jesko und mich fing alles
ganz eklig an: um halb sechs aufstehen, um halb sieben den Zug nach Hannover
kriegen.
(Die Tatsache, dass der Zug so verdammt früh fahren würde, ließ mir schon eine
Woche im voraus die Lust auf den Wettkampf vergehen.) Die Motivation steigerte
sich am Wettkampfmorgen nicht gerade, nach einer fast schlaflosen Nacht: am
Abend zuvor wurde kräftig gefeiert, leider nicht von uns, sondern von der WG
über uns. Nach vier Stunden Schlaf und zwei Stunden Zugfahrt in aller
Herrgottsfrühe kamen wir pünktlich in der Waldorfschule Hannover am Maschsee
an.
Vorrunden
Zusammen mit fast 90 anderen Teilnehmern ging es nach einer kurzen Einführung
in Ablauf und Regeln des Wettkampfes in die erste Qualifikationsrunde.
Um das größte Gedrängel in der Halle zu vermeiden, wurden die Teilnehmer in
zwei Gruppen aufgeteilt: Damen, Jugendliche und einzelne Herren kletterten in
der ersten Gruppe und die restlichen Herren in der zweiten. Jede Gruppe sollte
eine Stunde Zeit haben, sich in allen sieben Boulderproblemen der ersten
Qualifikationsrunde zu versuchen, letztendlich bekam jede Gruppe aber noch eine
halbe Stunde dazu.
In dieser Zeit konnten die Probleme so oft probiert werden, wie man wollte,
bzw. wie man an die Reihe kam oder noch Kraft hatte.
Für die zweite Qualifikationsrunde wurden fünf neue Boulder geschraubt und dann
traten die beiden Gruppen, wie in der ersten Runde, nacheinander an.
Das Spektrum der zur Verfügung stehenden Boulder reichte von relativ einfachen
und kurzen Aufrichtern an der geraden Wand (die fast alle Teilnehmer
bewältigten), über schwierig zu fixierende Sloper, gigantische Untergriffe und
Sinterfahnen in den drei Überhängen, bis zur längeren Querung durchs Dach mit
kompliziertem Kreuzen an kleiner Leiste zum Ausstiegsgriff oder Dynamo zum
Abschluß.
Dabei ist es den Routenschraubern gelungen, dem weit gestreuten Können aller
antretenden Kletterer Rechnung zu tragen und nicht nur charakterlich
verschiedene, sondern auch unterschiedlich schwierige Boulder zu gestalten.
Das Highlight in dieser und den nachfolgenden Runden waren jedenfalls die sehr
großen Strukturelemente, von denen jedes Einzelne genug Substanz für zwanzig
durchschnittlich große Griffe hatte!
Halbfinale
Im Anschluß an die Qualifikationsrunden fand erst mal eine Pause statt, in der
fürs Halbfinale umgeschraubt wurde. In letzteres konnten 3 jugendliche Damen, 8
jugendliche Herren, sowie 6 Damen und 8 Herren Einzug halten.
Ich hatte das Glück (oder Können?), dabei zu sein. Das löste in mir aber einen
Konflikt aus, da bereits klar war, dass ich bei der Teilnahme am Halbfinale
meine Zugverbindung um sieben nicht kriegen würde und wenn überhaupt nur noch
(teurere) Verbindungen mit ICs fahren würden.
Glücklicherweise fand sich eine Mitfahrgelegenheit für mich und ich konnte
weiterklettern. Jesko und Andy hatten nicht so viel Glück, entschlossen sich
aber trotzdem einen Zug später zu fahren, um noch beim Halbfinale zuzuschauen.
Allzuviel kann ich vom Halbfinale auch nicht berichten, da ich ja in der
Isolation saß. Die Boulder der Damen und Jugendlichen waren jedenfalls ganz
schön knackig (die der Herren natürlich um so knackiger): hervorzuheben ist der
riesige "Untergriff" im ersten Überhang, von dem es weiterzuziehen galt, um aus
dem Überhang "um die Ecke" auszusteigen. Auch der sehr wulstige Sinter im
zweiten Boulder, von dem aus man an einen kleineren Aufleger ziehen sollte, war
bemerkenswert.
Geklettert wurde parallel in Zweier-Teams, wobei jeder drei Minuten Zeit hatte,
sich in seinem der zwei Bouldern zu versuchen.
Finale
Im Finale wurde es dann richtig spektakulär: ein ca. 20 Züge Problem für die
Damen und Jugendlichen und ein 30 Züge langes für die Herren, wofür man fünf
Minuten zur Verfügung hatte. Insbesondere der Herren-Boulder hatte eher den
Charakter einer sehr abwechslungsreichen, Ausdauer fordernden Kletterroute im
Querformat, als den eines kurzen, knackigen Boulders, was den Anspruch
allerdings in keinster Weise sinken ließ.
Los ging's bei den Herren mit einer Querung durchs Dach, anschließendem
Ausstieg an dessen Frontseite und Einstieg in den ersten Überhang. Hier musste
abgeklettert werden, was mit einer Ruheposition an einem "Henkel" belohnt
wurde.
Diese wurde auch ausgiebigst genutzt, vor allem von Leif Büttner, der bestimmt
eine Minute chalkend und Arme ausschüttelnd hier verbrachte.
Geschadet hat es wohl nicht, denn Leif war auch der einzige der die Querung am
Sloper im folgenden Überhang und den anschließenden Einstieg in den nächsten
Überhang schaffte. Den Ausstiegsgriff erreichte er nicht mehr, hatte aber doch
die weiteste Strecke aller männlichen Teilnehmer hinter sich gebracht und
konnte den Wettkampf für sich entscheiden.
Den zweiten Platz sicherte sich Ulli Renger, der ebenfalls eine eigene Taktik
anwandte: er probierte erst, den Schlussteil des Boulders zu klettern und fing
dann von vorne an. Tobias Bosse, der sich am Sloper im zweiten Überhang leider
verkletterte und rausfiel, belegte den dritten Platz.
Die Damen und Jugendlichen bekamen ein Teilstück der Herrenroute, der Teil im
Dach entfiel und ein paar Griffe mehr waren auch vorhanden.
Während des Durchgangs der Jugendlichen, der das Finale auch einläutete, saß
ich erneut in der Isolation und kann daher nicht viel darüber berichten. Ich
weiß nur, dass -von Sonja einmal abgesehen- sowohl bei den männlichen als auch
den weiblichen Jugendlichen besser geklettert wurde als bei den Damen.
Wie erwartet war es Sonja, die bei den Damen den ersten Platz erkletterte. Wir
anderen drei hatten alle ein kleines Problem mit demselben Sloper und mussten
mehr oder weniger an der gleichen Stelle aufgeben. Wo sich unsere
Kletterleistung genau unterschied, vermag ich nicht zu beurteilen, bin aber
doch sehr gewillt, das Ergebnis anzunehmen :-)
Nicht nur die Teilnehmer, sondern auch das Publikum hatte, glaube ich, seinen
Spaß an dem Wettkampf, denn selbst zu fortgeschrittener Stunde wurde im Finale
kräftig angefeuert.
Das unvermeidliche Gedränge an den Bouldern der Vorrunde war wenig störend, da
es Gelegenheit gab, sich Klettertips zu geben und die Boulder zu diskutieren.
Hätte es den Ehrentitel für den/die kletterwütigste(n) Teilnehmer(in) gegeben,
so hätte Sonja Schade ihn auf alle Fälle verdient: Sie kletterte im Halbfinale
und im Finale die Herrenboulder außer Konkurrenz mit, ohne dabei den Herren im
Können um vieles nachzustehen. Mich hat das sehr beeindruckt, von der Kraft und
Ausdauer hätte ich auch gerne was ab...
Hätte es mir nicht soviel Spaß gemacht, wäre ich nicht so motiviert, nächstes
Jahr wieder teilzunehmen und wäre ich nicht so stolz auf mein frisch gewonnenes
Paar Kletterschuhe, hätte ich eines gelernt: willst du an einen sonntäglichen
Kletterwettkampf teilnehmen, solltest du Montag früh nichts vorhaben.
Ich will nicht mutmaßen woran es liegen könnte, aber Kletterwettkämpfe dauern
nicht selten länger, als zuvor geplant. Diesmal war um 10 vor 10 Schicht im
Schacht und ich um zwölf endlich zu Hause (nochmals Danke an meine
Mitfahrgelegenheit!), was an sich ja nicht so schlimm wäre. Aber nach wenig
Schlaf und -zumindest nach einem Boulderwettkampf- mit mörderischem Muskelkater
montags früh in die Uni zu müssen, ist fast anstrengender als der Wettkampf
selbst.
Nächstes Jahr werde ich auf jeden Fall wieder dabei sein, denn mich hat doch
der Ehrgeiz gepackt, als ich gesehen, oder vielmehr geklettert habe, was es für
interessante und vielseitige Boulder geben kann und wieviel mir unbekannte
Griffe und Strukturen abverlangen können...
Der nächste Wettkampf der Norddeutschen Meisterschaft findet jedenfalls an
einem Samstag (27.3. in Kiel) statt, also werde ich zumindest der Uni-Welt
meinen weinerlichen Nachdem-Wettkampf-Anblick ersparen können :-)
Stefanie Müller
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